DER POKER UM IDLIB ODER WIE PUTIN DIE USA UND DIE TÜRKEI AUSTRICKST

Tebel-Report ANALYSE ¦
Nach den russischen Bombardements der letzten Tage setzt nun eine weitere Runde des Pokerns um Idlib ein. Dabei sind zwei Gruppen an teilnehmenden Staaten zu unterscheiden: Mit dem Iran, Russland und Syrien halten drei Staaten das Heft des Handelns in ihren Händen. Ihr Ziel besteht darin, die Rebellengruppen in Idlib zu vernichten. Dies würde automatisch den Einfluss der Türkei stutzen, die Macht Assads steigern und die russische Militäreinrichtung in Hmeimim absichern, die nur unweit der Deeskalationszone liegt und die schon öfters von Drohnen der Dschihadisten angegriffen wurde. Wie schon in Ost-Ghouta, Dumayr und im Süden des Landes wird sich diese Allianz nicht aufhalten lassen. Nur ein taktisches Kalkül kann die Vorgehensweise beeinflussen: Worin sieht Putin mehr Gewinn: Im Spalten des Westens oder im Sieg in Syrien? So erscheint es durchaus denkbar, dass Putin den Türken die Gegend um Afrin überlassen könnte, um freie Hand in Idlib zu erhalten.
„Wie schon in Ost-Ghouta, Dumayr und im Süden des Landes wird sich diese Allianz nicht aufhalten lassen.“
Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederum wurde vom listigen Putin – salopp formuliert – in seiner Gier international eine wichtigere Rolle einzunehmen nach allen Regeln der Kunst ausgetrickst. Erdogan durfe in Astana an den Syrien-Verhandlungen teilnehmen, bei der Deeskalationszone in Idlib eine wichtige Rolle übernehmen und türkische Kontrollpunkte errichten. Allerdings hatte Erdogan vermutlich zunächst nicht begriffen, dass Russland mit der Schaffung der Deeskalationszonen keineswegs Friedenszonen schaffen wollte, sondern lediglich die Rebellen hierdurch in kleinere geographische Häppchen aufteilen konnte, die die Syrer und Russen nacheinander niederrangen.
Somit kann die Türkei gegenwärtig nur kräftig mit dem Säbel rasseln und seine Positionen in Syrien verstärken, wie es die iranische Nachrichtenagentur Fars seit Tagen berichtet. Zudem kann die Türkei vor einer Massenflucht von Zivilisten warnen, wie es Innenminister Süleyman Soylu zuletzt gestern tat.  Ob sie aber eine direkte Konfrontation eingehen oder lieber Afrin als Beute nehmen, ist aber eine Entscheidung der Realpolitik, zumal sich auch die Beziehungen der Türkei zu den USA auf einem Tiefststand befinden.
Den zweite, in eine passive Rolle gedrängte Part, nimmt die USA ein. Sie haben ihre Möglichkeiten politisch zu agieren gleichfalls „versemmelt“ und können ebenso lediglich mit einem – das Gesicht wahrende – Eingreifen drohen, sofern Assad mit dem Gebrauch von Chemiewaffen diese „rote Linie“ überschreiten sollte (siehe u.a. SOHR). Das zweite Mittel, dass die USA anwenden können, ist die Verstärkung ihrer militärischen Präsenz in Mittelmeer, Golf und im östlich des Euphrat gelegenen Teils Syriens (u. a. zur al-Sousah Base, Konvoi mit hundert Lastwagen aus dem Irak über den Simalka-Grenzpunkt vermitlich nach Raqqa, Aleppo, Hasaka und Deir Ezzur), woüber Fars und andere Medien berichten.