Krieg gegen die Ukraine: VOR EINER NEUEN PHASE

Phase 1 : BLITZKRIEG

Russlands Plan, die Ukraine mit rund 100.000 Soldaten und mindestens 20.000 Marine- und Luftstreitkräften in einem „Blitzkrieg“ niederzuschlagen und die ukrainische Regierung unter Wolodymyr Zelenskyj in einem „Enthauptungsschlag“ abzusetzen, scheiterte bereits am zweiten Tag der Invasion. Eine drastische Fehleinschätzung des ukrainischen Widerstands und der offensichtlich fehlende Rückhalt selbst in der russischsprachigen Bevölkerung brachten den Vormarsch bereits in grenznahen Städten wie Tschernihiw/Chernigov, Konotop, Sumy und Charkiw/Kharkov zum Stillstand. Nur im Süden konnten die russischen Truppen Erfolge feiern: Melitopol wurde eingenommen und der Fluss Dnjepr erreicht. Cherson, ein regionales Zentrum mit etwa 280 000 Einwohnern, hält bis zum 7. Tag der russischen Militäroperation stand.

Phase 2 : BELAGERUNGS- UND STELLUNGSKRIEG

Es folgt die Umwandlung des Feldzugs in einen zermürbenden Belagerungskrieg. Die Schlinge um Kiew wird enger gezogen und der Versuch unternommen, die unter ukrainischer Kontrolle stehen grenznahen Städte einzunehmen, um einerseits Offensivkräfte freizusetzen und andererseits die eigenen Nachschublinien zu sichern. Der Errichtung einer geplanten Landbrücke zwischen der Krim und dem Donbass steht Mariupol im Wege, das russische und tschetschenische Truppen sowie Einheiten der „Donezker Volksrepublik“ seither mit Bombardements und heftigen Straßenkämpfen zu erobern trachten.

Die Moral der russischen Einheiten ist niedrig. Gerüchten zufolge wurde den Soldaten vor ihrem Einsatz gesagt, sie nähmen an einer militärischen Übung teil. Zudem erscheint der Grund für den Krieg anscheinend nicht unbedingt jedem Soldaten nachvollziehbar. Die strategische Fehleinschätzung schlägt sich zudem in horrenden Verlusten an Soldaten, Panzern und Lastwagen nieder, zumal sich die russische Armee bevorzugt auf Straßen bewegt. Ortskundige ukrainische Verteidiger, die in kleinen Gruppen operieren und mit modernsten Flugabwehrraketen und panzerbrechenden Waffen aus westlicher Produktion ausgerüstet sind, starten Guerillaangriffe auf die ungeschützten Nachschublinien der Russen, die auf Lkws Munition, Ersatzteile, Verpflegung, Treibstoff und andere Gütern heranschaffen müssen. Zeitweise erinnern die Erfolge der Ukrainer an ein Tontaubenschießen.

Phase 3 : AUFFÜLLEN DER KRÄFTE UND NEUE ZIELE

Bereits am zehnten Tag der Invasion verlangsamt Moskau bewusst seine militärische Operation, um die eigenen Verluste zu senken, wie es sogar die täglich veröffentlichten ukrainischen Propagandazahlen belegen. Der Krieg tritt in die Phase der Reorganisation und Auffüllung der russischen Streitkräfte ein, die nach Berichten von US-Geheimdiensten bereits am Rande der Kampfunfähigkeit stehen.

Am 25. März schließlich reagierte Wladimir Putin auf die verfahrene Situation, indem er ein neues Ziel für den Kampf ausgibt. Ziel der Operation soll nun die „Befreiung“ der Oblaste Luhansk und Donezk sein.
Da die russische Armee nicht stark genug ist, um an mehreren Fronten gleichzeitig zu kämpfen, wird der Plan, Kiew einzunehmen, vorerst aufgegeben und ein geordneter Rückzug durchgeführt.

Die Konzentration Wladimir Putins auf den Donbass ist jedoch nur eine Minimalforderung, zumal die beanspruchten Oblaste Luhansk bereits fast vollständig und Donezk mehr als zur Hälfte unter russischer Kontrolle stehen.

Eine weitere Änderung gab es bei der Koordinierung der russischen Invasionskräfte, die nun erstmals in einer Hand zu liegen scheint. Der US-Sender CNN erfuhr am 9. April aus ungenannten Quellen, dass Armeegeneral Alexander Dwornikow, seit 2016 Kommandeur der Truppen im Militärbezirk Süd, das Gesamtkommando über die Operation erhalten habe. Der 1961 in Ussurijsk im Fernen Osten Russlands geborene Armeegeneral hatte zwischen September 2015 und Juni 2016 das Oberkommando in Syrien inne. In dieser Zeit koordinierte er die russischen und syrischen Streitkräfte und stellte die Weichen für die Einnahme von Aleppo, die als eine der brutalsten Schlachten des syrischen Krieges gilt. Ein Artikel aus dem Jahr 2016 scheint zu erklären, welche Qualität der Armeegeneral noch besitzt. URA.ru beschreibt, dass die syrischen Regierungstruppen unmotiviert waren und dies offenbar seine „zweite Front“ bildete. Neben der Koordinierung der Armee wird der als sehr hart charakterisierte Dvornikov sein Augenmerk wohl darauf richten, auch im Krieg gegen die Ukraine die „Motivation“ seiner Soldaten mit eiserner Hand zu „stärken“, um die russische Armee in die nächste Phase einer erwarteten Offensive zu führen.

Siehe

Bildquelle: nextvoyage auf pixabay (Kiew)