SYRISCHE RAKETE EXPLODIERT NAHE ISRAELISCHER ATOMANLAGE : „WARNSCHUSS“ ODER IRRLÄUFER?

WIEN, 30. April 2021. Ein rätselhafter Vorfall wirft zahlreiche Fragen auf.

Am 23. April bestätigte ein Sprecher der israelischen Streitkräfte, dass in den frühen Morgenstunden eine syrische SA-5 Langstreckenrakete in nur etwa 30 Kilometer Entfernung vom israelischen nuklearen Forschungszentrum Dimona explodiert sei. Die mehr als in die Jahre gekommene Boden-Luft-Rakete sowjetischer Entwicklung detonierte demnach tief hinter der syrischen Grenze über der Wüste Negev in mittlerer Höhe, ohne dass die israelische Luftabwehr die Rakete abfangen konnte. Al-Monitor wusste zudem, dass die Detonation bis nach Jerusalem und Rehovot zu hören war.

Im unmittelbaren Gegenzug griff die israelische Luftwaffe mehrere Raketenstellungen der syrischen Armee an, darunter auch jene in Dumayr – 40 Kilometer nordöstlich der syrischen Hauptstadt Damaskus – von der aus die SA-5 abgefeuert worden war. Syrien meldete insgesamt vier Verletzte.

Dass Syrien eine Rakete auf israelisches Staatsgebiet feuert, ist ungewöhnlich. Deswegen bildete der Vorfall postwendend Anlass zur Spekulation: Wollte Syrien damit Israel eine Warnung senden?

Eine solche Vermutung setzt den Vorfall in Zusammenhang mit einem Sabotageakt gegen die iranische Atomanlage in Natanz am 11. April, der in einer Kette an Anschlägen gegen iranische Nukleareinrichtung steht, für die der Iran seinen „zionistischen“ Erbfeind Israel verantwortlich macht. Diese Vergeltungspolitik stützt ein Bericht der panarabischen Nachrichtenseite Asharq al-awsat, wonach der iranische Analyst Sadollah Zarei in einer auflagenschwachen, aber besonders linientreuen iranischen Zeitung erst kürzlich zu einem Angriff auf Dimona aufgerufen hatte.

Allerdings handelte es sich um keine iranische Rakete, sondern um eine der regulären syrischen Armee. Hier setzt ein zweites mögliches Szenario an: Wie schon der israelische Verteidigungsminister brachte auch General Frank McKenzies, der Kommandant des US Central Command, syrische „Inkompetenz“ ins Spiel, wie The Hill berichtete. Die Rakete sollte demnach einem israelischen Raketenangriff gegolten haben und sei als Irrläufer nach Israel geflogen.

Das iranische Press-TV zitiert wiederum die Gegenmeinung. Der oftmals fragwürdige Thesen vertretenden syrisch-australischen Polit-Youtuberin Mimi al-Laham zu Folge, handelt es sich um einen bewussten Angriff auf die Atomanlage. Sie erinnert an den Abschuss eines israelischen Kampfflugzeuges im Jahr 2018, den Israel ebenso verleugnete und lediglich von einem Maschinenschaden sprach.

Aber auch Seth Frantzman von der Jerusalem Post sieht noch offene Fragen: Für ihn bestehen Unstimmigkeiten in der möglichen Flugroute der Rakete über Jordanien und die Westbank und Explosionen, die im israelischen Kernland zu hören waren. Außerdem soll es laut Frantzman keine Berichte geben, wonach zum fraglichen Zeitpunkt die syrische Luftverteidigung überhaupt aktiviert worden sei und überhaupt ein israelischer Angriff stattgefunden habe.

Wenngleich bislang wohl weit eher von einem Irrläufer auszugehen ist, bleib letztlich unklar, ob die Rakete in mittlerer Höhe detonierte oder erst durch den Einschlag am Boden. Für das israelische Militär (IDF) stellt sich obendrein die Frage nach der Wirksamkeit der eigenen dreistufige Luftabwehr, wenn sich diese durch eine bereits museale Rakete aushebeln lässt.

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Bildquelle: Bild von Patrik Šlechta auf Pixabay