Afghanistan : DIE STRATEGIE HINTER DER BESTELLUNG DER NEUEN REGIERUNGSRIEGE DER TALIBAN – ANALYSE

Tebel-Report. – Die Bildung der afghanischen Interimsregierung wird von Gerüchten überschattet, wonach Mulah Abdul Ghani Baradar nicht mehr am Leben sein solle. Ebenso wäre der künftige Emir Hibatullah Akhundzada seit 2019 nicht mehr gesehen worden und deshalb ebenso tot.

Diese Gerüchte spiegeln vermutlich weniger die Realität wieder, als das Gefühl, dass die Taliban-Regierung von schweren internen Konflikten beherrscht wird. Ein Blick auf die Machtgruppen innerhalb der Taliban kann diese möglichen Bruchlinien schärfer umreißen.

So stimmen die Medienberichte, wonach die Interimsregierung der Taliban im größten Teil aus Paschtunen besteht. Paschtunen machen etwa die Hälfte der afghanischen Bevölkerung aus. Nur drei Mitglieder der neuen Regierung stammen aber nicht aus deren Reihen, sondern sind Tadschiken (Militärchef und Wirtschaftsminister) bzw. Usbeken (stellvertretender Ministerpräsident).

Zudem lassen sich insgesamt fünf Machtlinien verfolgen:

Die erste Linie knüpft an den künftigen Emir an. So fungiert Hibatullah Akhundzadas Schwiegersohn als Minister für Öffentliche Angelegenheiten. Der jetzige Außenminister diente Akhundzadas als persönlicher Sekretär, der neue Justizminister als sein persönlicher Berater.

Sowohl Schwiegersohn, wie auch sein persönlicher Berater bildeten wiederum Teil der afghanischen Verhandler in Doha, die mit den USA den Vertrag zu deren Abzug erwirkten und als der realpolitische Flügel der Taliban gelten. Dieser Flügel wird in der Regierung durch Mullah Abdul Ghani Baradar als stellvertretender Regierungschef gestärkt, der die Verhandlungen in Doha leitete. Weitere Teilnehmer sind der neue Außenminister und der Vizeaußenminister, sowie der zweite Stellvertreter des Regierungschefs und die Minister für Wasser und für Information und Kultur.

Mit der Bestellung des Ministers für Wasser, dem Außenminister und dem Vizeaußenminister wird ein weiteres Charakteristikum in der Bestellungsstrategie der afghanischen Ministerriege sichtbar. Insgesamt zwölf Minister und stellvertretende Minister können als Veteranen gelten, die bereits in der ersten Regierung der Taliban zwischen 1994 und 2001 mit Ämtern betraut waren.

Eine weitere Gruppe an Bestellungen ergibt sich aus der Verwandschaft zu wichtigen Taliban-Führern. So ist der Verteidigungsminister der Sohn des Talibangründers Omar und der Minister für Wasser der Neffe des Dschihadistenkommandanten Mawlavi Nasrullah Mansoor.

Die letzte Machtgruppe bilden die vier Vertreter des Haqqani-Netzwerkes innerhalb der Regierung. Während die Doha-Gruppe die Außenpolitik bestimmt, wirkt das Haqqani Netzwerk nach innen. So stellt das Oberhaupt des als Terrororganisation geltenden Haqqani-Netzwerkes den Innenminister. Auf seinen Kopf sind vom FBI noch heute 5 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Besondere Macht verleihen dem Netzwerk obendrein die Funktionen des Direktors des Geheimdienstes und des Vizegeheimdienstchefs.

Quintessenz:

Es besteht eine klare Aufteilung zwischen Realpolitikern nach außen und extremen Hardlinern für das Innere.

Eine genauere Untersuchung sollte die Herkunft aller Regierungsmitglieder umschließen (für 12 sind keine Angaben zu finden). Zudem wäre die Zugehörigkeit zu den 60 paschtunischen Stämmen zu untersuchen, sowie die Bedeutung der Clans, der die Regierungsmitglieder angehören.

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Bildquelle: Image by Amber Clay from Pixabay