ANALYSE von Berndt SCHIPPLER

von Berndt Schippler

Mit dem Neujahrstag 2018 tauschten die Niederlande und Belgien Land. Der Berliner Kurier titelte recht ungläubig: «Kein Witz… Darum wird Holland bald größer – und Belgien kleiner».
Dabei sind solche Vorgänge nicht so ungewöhnlich wie sie anmuten, sondern eine seit vielen Jahren in der europäischen Staatenwelt geübte und bewährte zwischenstaatliche Praxis.

Österreich unterhält mit allen Nachbarstaaten bilaterale permanente Grenzkommissionen. Deren Übereinkünfte werden den Parlamenten vorgelegt und durch Staatsverträge, die kleinräumige territoriale Veränderungen beinhalten bzw. den derzeitigen Grenzverlauf bestätigen und diesen technisch verfeinern, dokumentiert. An drei österreichischen Grenzen haben die Grenzkommissionen bereits Berichtigungen erarbeitet. Damit liegt es an den Palamenten, diese Vorschläge umzusetzen.

Erste Gebietsänderung mit Italien am Brenner seit 1919 ■ Die österreichisch-italienische Grenzkommission genehmigte im Ergebnis ihrer mehrjährigen intensiven Beratungen im Mai 2012 den Entwurf eines völkerrechtlichen Abkommens, das einige Brisanz in sich birgt: Erstmals seit dem Inkrafttreten des Friedenstraktats von Saint-Germain sollen an der alpinen Staatsgrenze konstitutive Änderungen vorgenommen werden. Die Abmachungen sind in acht Artikeln niedergelegt, denen als Vertragsmotiv die von beiden Seiten erkannte Notwendigkeit der Abänderung des Grenzverlaufes an drei Alpenübergängen von herausragender verkehrspolitischer Bedeutung vorangestellt ist. Die Artikel 1 bis 3 erläutern jeweils die auf Grund von Unübersichtlichkeit oder Unzweckmäßigkeit notwendig werdenden lokalen Grenzänderungen im Bereich von Reschenpass, Timmelsjoch und Brenner, wobei die neuen Grenzzüge definiert und die dazugehörigen technischen Vertragsanlagen angeführt sind. Ein jeder dieser drei Annexe besteht aus einem zweisprachigen Titelblatt, einer tabellarischen Grenzbeschreibung, einem Koordinatenverzeichnis der Grenzpunkte sowie einer Grenzkarte, die allein den projektierten Grenzverlauf, und einer weiteren, die den beabsichtigten Gebietsaustausch dokumentiert. Artikel 4 normiert, dass die Rechte von Privateigentümern an Grundflächen, die von den Grenzkorrekturen betroffen sind, in keiner Weise beeinträchtigt werden. Artikel 5 bis 8 thematisieren die Bewertung der bereits erwähnten Anlagen als Vertragsbestandteile, die weitere Geltung von Bestimmungen eines früheren Grenzvermessungsabkommens zwischen Österreich und Italien aus dem Jahre 1994 und nähere Einzelheiten des beiderseits zu beobachtenden Ratifizierungsverfahrens. Die beiden österreichischen Parlamentskammern sind über diese außenpolitischen Aktivitäten bereits im Herbst 2012 detailliert in Kenntnis gesetzt worden.

Abschluss der Neuvermessung der österreichisch-slowenischen Grenze Das bedeutendste Fazit der Tagung der „Ständigen Österreichisch-Slowenischen Grenzkommission“ vom September 2013 war die Fertigstellung des Textes für ein Regierungsabkommen, dessen Hauptzweck in der Inkraftsetzung neuer vermessungstechnischer Unterlagen („Grenzurkundenwerke“) für sechs Abschnitte der Staatsgrenze mit einer Gesamtlänge von 60 km bei ausdrücklicher Aufrechterhaltung des zuletzt 1995 modifizierten Grenzverlaufs liegt. Mit der Genehmigung dieser zwischenstaatlichen Vereinbarung wird die in den letzten drei Jahrzehnten sukzessive erfolgte Neuvermessung der gesamten Grenzstrecke zwischen Österreich und der Republik Slowenien zum Abschluss gebracht. Das Dokument besteht aus neun Artikeln, die die auf den neuesten technischen Stand gebrachten Unterlagen, jeweils bestehend aus Grenzbeschreibung, Koordinatenverzeichnis und Grenzkarte, als Abkommensbestandteile gutheißen, die Unkündbarkeit der Festlegungen deklarieren und die Modalitäten der zwischenstaatlichen Umsetzung erwähnen.

Gebietsänderungen in Folge der Fixierung des Grenzpunktes im Länderdreieck von Tschechien, der Slowakei und Österreich Am 1. August 2017 ist der Vertrag zwischen Österreich, der Tschechischen und der Slowakischen Republik über die Festlegung des (nunmehr unbeweglichen) gemeinsamen Grenzpunktes „Triplex confinium“) im Bereich der Mündung der Thaya in die March in Kraft getreten. Damit ist die Voraussetzung geschaffen worden, um trilateral zwei neue Grenzabkommen zu entwerfen, die in grundlegender Abänderung der Charakteristik der „nassen Grenzen“ nach dem Grenzvertrag mit der CSSR vom Dezember 1973 die Festlegung der Unbeweglichkeit der Staatsgrenze in den Grenzflüssen Thaya (gegenüber Tschechien) sowie March und Donau (gegenüber der Slowakei) vorsehen. Nach österreichischer Rechtsauffassung handelt es sich in diesen beiden Fällen um eine – wenn auch äußerst geringfügige – Veränderung des Staats- und niederösterreichischen Landesgebietes. Allerdings liegen bis jetzt keine näheren Informationen über die Struktur der in Ausarbeitung begriffenen Vertragsprojekte vor.

Konkrete Planungen zu Grenzänderungs- bzw. Grenzbestätigungsvereinbarungen des österreichischen Außenamts mit der Bundesrepublik Deutschland, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein sind zur Zeit nicht ersichtlich.