LEITARTIKEL der Frankfurter Rundschau von STEPHAN HEBEL: ANGELA MERKEL. DER NEOLIBERALE WEG DER KANZLERIN


von Stephan Hebel

Der Merkelismus geht in die vierte Runde. Kann er noch die Antwort sein auf die Veränderungen in einer verunsicherten Gesellschaft? Der Leitartikel.

Der Zufall kann ziemlich schlitzohrig sein: An diesem Mittwoch wird Angela Merkel zum vierten Mal ins Kanzleramt gewählt. Es ist genau der 15. Jahrestag der „Agenda-Rede“, die Gerhard Schröder am 14. März 2003 im Bundestag hielt.
Schröder, damals noch Kanzler einer rot-grünen Regierung, verkündete nicht nur den Totalumbau der Arbeitslosenversicherung. Er legte vielmehr den Grundstein für den Kurs der neoliberalen, den Sozialstaat einengenden Modernisierung, den Union und SPD seither gemeinsam verfolgen – nun zum dritten Mal seit 2005 in einer großen Koalition. Und mehr denn je muss bezweifelt werden, ob diese Form von „stabiler Regierung“ noch die Gesellschaft widerspiegelt, die sie repräsentieren sollte.Längst geht es nicht mehr nur darum, ob man mehr auf punktuelle Reformprojekte baut, wie sie der Koalitionsvertrag durchaus enthält, oder ob man auf „alles oder nichts“ setzt, wie einer der plattesten Anwürfe gegen die Groko-Gegner lautete. Auf dem Spiel steht viel mehr: Kann die Art von Kompromiss, wie wir sie seit der gemeinschaftlichen Durchsetzung der Schröder-Agenda kennen, auf Dauer Stabilität erzeugen?

Zunächst: Die „großen“ Koalitionen werden immer kleiner. Im Jahr 2005 standen Union und SPD für 69,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Vor vier Jahren waren es 67,2 Prozent, aber 2017 reichte es nur noch für 53,4 Prozent. Offensichtlich ist es Union und SPD nicht gelungen, die Stabilität parlamentarischer Mehrheiten in eine Hoffnung auf Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse umzumünzen.

Gesellschaftliche Verunsicherung schwindet nicht ■ Punktuelle Fortschritte wie der Mindestlohn haben nicht bewirkt, dass die in weiten Teilen der Gesellschaft grassierende Verunsicherung schwindet. Und woher die Koalitionäre die Zuversicht nehmen, dass das diesmal anders sein könnte, bleibt ihr Geheimnis. Die Entfremdung von der Merkel’schen Beruhigungspolitik geht zu tief, um mit kleineren Reformen den Vertrauensschwund aufzuhalten.

Zahllose Studien und Umfragen lassen darauf schließen, dass die Angst vor sozialem Abstieg und die Entfremdung vom Politikbetrieb zugenommen haben – nicht nur bei denen, die ihre Stimme an den Rassismus der AfD verschenken. Noch mag die Mehrheit glauben, es könne im Wohlstands- und Autoland alles so weitergehen wie bisher. …

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