Krieg gegen die Ukraine: TAG 78 – ZWEI FRONTEN – ZWEI UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN

Der aktuelle Krieg in der Ukraine hat in den nördlichen und nordöstlichen Landesteilen zwei Gesichter. Seit Ende April kann die ukrainische Armee (UA) Ortschaften im Norden und Nordosten der Millionenstadt Charkow einnehmen. Den größten Gebietsgewinn machten die Ukrainer am Ufer des Petschenihy-Stausees, wo sie mit Verkhnii Saltiv, Rubiszne und Bayrak bis nahe an die Grenze der Russischen Föderation stoßen konnten.[1] Im Norden von Khakiv steht die UA vor Lypzi. Diese Gebietsgewinne besitzen für die Ukraine eine große strategische Bedeutung, weil sich hierdurch die Millionenstadt weitgehend nicht mehr im Radius der russischen Artillerie befindet.

Anders sieht es im Dombass aus. Dort ist die Ukraine in der Verteidigung und versucht der Einkesselung durch die russische Armee zu entgehen. Der russische Plan sieht anscheinend zwei unterschiedlich weit gefasste Zangenangriffe vor: Die äußere Zange geht von Izyum aus, wo Moskau bis zu 25 BTGs (taktische Bataillonskampfgruppen) mit etwa 20 000 Soldaten und etwa 500 Panzern zusammengezogen hat. Von dort aus stoßen die Russen nach Westen vor, wo sie am 10. Mai Velyka Komyshuvkh einnehmen konnten. Von Izyum versucht die russische Armee auch in südlicher Richtung Barvikove zu erreichen. Gelingt der russischen Armee ein Durchbruch im Bereich von Donezk, könnte die Zange Slovyansk und Kramatorsk umschließen.

Einen inneren, kleineren Zangenangriff führt die russische Armee bei Rubizhe (vom Norden her) und Popasna (vom Süden her) durch. Ziel bildet die Einnahme von Lychansk und Severodonesk, dessen Stadtrand die russische Armee bereits erreicht hat.

Im Gegensatz zu den meisten westlichen Einschätzungen ist darauf hinzuweisen, dass die russische Armee seit dem Beginn der Dombass-Offensive zwar langsam vorankommt, aber doch mehrere Ortschaften einnehmen konnte.[2] In Orten wie Dibrovny, Tyhotske, Shandryholove oder Rubizhne und Novobakmutivka haben die Russen bereits Teile der Ortschaften eingenommen. Diese Orte lagen – wie das am 7. Mai eingenommene Popasna – seit Jahren an der Frontlinie und wurden von der ukrainischen Armee seit mehreren Jahren zu Festungen ausgebaut. Somit ist es auch nachvollziehbar, dass die russische Armee keinen raschen Erfolg sucht, sondern Positionen und Ortschaften sturmreif schießt. Die ukrainischen Verteidiger halten die russische Armee wiederum möglichst lange auf und versuchen sich bislang vor einer endgültigen Einkesselung – wie in Kreminna oder Velyka Komyshuvkh – zeitgerecht abzusetzen.

[1] https://mil.in.ua/en/news/in-the-kharkiv-region-the-settlement-of-kutuzivka-was-completely-liberated/; https://www.ukrinform.de/rubric-ato/3471729-generalstab-vier-ortschaften-in-region-charkiw-zuruckerobert.html; https://www.pravda.com.ua/eng/news/2022/04/30/7343178/; https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-may-3; t.me/truexanewsua/4602; https://www.pravda.com.ua/eng/news/2022/05/11/7345561/.

[2] https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-april-24; t.me/ukrinform_news/67039; https://t.me/UkraineNow/10729; https://twitter.com/Cellodidas89/status/1518265684144312324; t.me/UkraineNow/10729; https://militaryland.net/ukraine/invasion-day-76-summary/

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